Wanzenplage in ganz grossem Stil

Der Millenium-Bug (Y2K-Bug)

In der 2. Hälfte des Jahres 1999 erschienen immer mehr Artikel in Zeitungen und im Fernsehen gab’s Diskussionssendungen über das Thema „Jahrtausendwechsel“. Sogenannte Sachverständige erklärten, dass vor allem die Grossrechner in der Wirtschaft riesige Probleme verursachen könnten. Ja es wurde ein wahres apokalyptisches Szenario heraufbeschwört. Jedermann auf der Strasse wusste, dass in den Programmen der Grossrechner die Jahreszahlen nur 2-stellig erfasst und gespeichert wurden. Wie soll man denn da sortieren, wenn plötzlich 00 grösser als 99 sein müsste; oder wie ist denn das Alter eines Rentners, wenn das Programm plötzlich MINUS 37 angibt; noch schlimmer ist es, wenn alle Datensätze, die im Jahresfeld 00 haben einfach ignoriert werden, denn der Wert 0 wurde vielfach als KEIN Wert definiert. 

Je näher das Jahresende von 1999 kam, desto düsterer waren die Aussagen und Ängste vor dem Weltuntergang.


Und dann kam das grosse Stauen am Jahresbeginn vom neuen Jahrtausend. Alles klappte hervorragend. Nichts da von verspäteten Jahresabschlüssen, Datensalaten oder gar Chaos. Jetzt waren die Medien voll von Sprüchen wie „War alles nur eine Panikmacherei!“ oder „Wieder mal viel zu schwarz gemahlt!“ und vor allem  die Meldung „Der Jahrtausendwechsel ist  problemlos über die Bühne!“

Es stimmt schon: Meines Wissens ist in der Schweiz beim Jahrtausendwechsel in der Grossrechner-Welt nichts Schlimmes passiert.

Schwarze Anzeigetafel in einer Französischen Schule mit roten Grossbuchstaben: "BIENVENUE A L'ECOLE CENTRALE DE NATES
12 HEURES 09
3. JANVIER 1900"
Anzeigetafel in einer französischen Schule

Aber ungefähr 2 Jahre vorher musste ganz viel passieren, dass nachher nichts passierte!

Überall wo Grossrechner seit Jahrzehnten im Einsatz waren, wurden während mindestens 2 Jahren ganze Heerscharen von Informatikern – nämlich Analysten, Systemer und Programmierer – beschäftigt. Zuerst musste analysiert werden, wie man das Problem des Millenium-Bugs aus dem Weg räumen soll, und dann wurden Gruppen von Programmierer angestellt um alle Programme auf die Y2K-Problematik zu durchsuchen und vor allem zu bereinigen.

Ich weiss nicht wie viele Arbeitssunden während dieser Jahre in der Schweiz aufgewendet worden sind, damit beim Jahrtausendwechsel nichts passierte. Gemäss Wikipedia wird der Gesamtaufwand für die Y2K-Projekte weltweit auf ‚bis zu 600 Milliarden US-Dollar‘ geschätzt; in großen Unternehmen erreichten die Kosten für Massnahmen zur Überprüfung und Umstellung der Anwendungen zwei- bis dreistellige Millionenbeträge in Euro.

Ich arbeitete damals für eine grosse Versicherung und wir waren mehr als 30 Informatiker plus ein Sachverständiger von jeder Abteilung, die in den Jahren 1998 und 1999 für die Behebung des Bugs 100%-ig beschäftigt waren.
Tausende von Programmen in allen möglichen und unmöglichen Sprachen mussten untersucht, geändert und dann vor allem getestet werden.  Mein Einsatz war wegen meiner grossen Erfahrung vor allem bei den Assembler- und PL/I Programmen. Bei der konsequenten Kontrolle aller Programme kamen noch ein paar kleine Progrämmchen zum Vorschein, von denen niemand was wusste; sie liefen in der Produktion einfach als kurze aber wichtige Zwischenschritte. Vor vielen Jahren wurden sie von einem Spezialisten in einer eigenen von ihm entwickelten Sprache geschrieben. Niemand konnte den Code lesen; es war meine Aufgabe, darin zu suchen und ich konnte auch diese Knacknuss aufbrechen.

Die meisten zu korrigierenden Programme waren aber nicht klein; Quellprogramme von 2 bis 3 Tausend Zeilen waren eigentlich normal. Mit der Anpassung war es dann aber nicht getan. Alles musste für den Funktionstest vorbereitet werden – selbstverständlich sehr standardisiert – und die Operators führten die Tests aus.

Nicht nur in dieser Versicherung, sondern in allen Banken, Verwaltungsbetrieben, Grosskonzernen usw. wurde eine ganz tolle Leistung von den vielen Informatikern erbracht. Man denke daran, dass der normale Geschäftsbetrieb einfach noch nebenbei gewährleistet werden musste. Und ich behaupte, nur deshalb konnten die Medien am ersten Tag im neuen Jahrtausend berichten: „Alles ging gut über die Bühne – der Millenium-Bug hat gar keinen Schaden angerichtet“.

Die Apokalypse ist in der Schweiz ausgeblieben;
es gab kein Chaos beim Jahreswechsel ins Jahr 2000!

1 Antwort zu “Wanzenplage in ganz grossem Stil”

  1. Ist noch schön, dass die in Frankreich schon im 1900 digitale Anzeigen hatten! Und dann noch ein Farbfoto als Beweis davon!
    😀

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