Bequemlichkeit führt zu Überstunden

Ein  Roller  löst eine Flut von Unannehmlichkeiten aus

Das IBM Service-Büro (SB) in Basel wollte die Kundenarbeiten unbedingt auf dem neuen System 1401 durchführen. Deshalb wurde im Frühling 1963 ein solches System bestellt. Der Liefertermin war für Oktober desselben Jahres vorgesehen. Aus Kostengründen musste der teure Grossrechner nach der Installation unbedingt voll ausgelastet sein. Dies bedeutete, dass bereits im Mai mit der Programmierung der verschiedenen Kundenaufträge begonnen werden musste. Ein Team von ungefähr 5 Junior-Programmierer – ich gehörte auch dazu – wurden intern auf die neue Sprache SPS geschult und dann mussten wir mit Hochdruck meistens Lohnprogramme erstellen. Allerdings war das Testen nicht so einfach, da ja noch kein eigenes System 1401 zur Verfügung stand. Die erste IBM 1401 in der Schweiz war im Forschungslabor Rüeschlikon installiert. Ein Kunde der IBM Basel war ebenfalls ein sehr stolzer Besitzer des schon einsatzbereiten neuen Systems; es stand aber in seinem Betrieb in Mülhausen. Zwischen der IBM und diesem Kunden war eine Abmachung, dass die Programmierer vom SB Basel Randzeiten für ihre Tests zugesprochen erhielten. So durfte auch ich mein erstes 1401-Programm dort testen.

Wie anderswo erwähnt, lochte ich meine Programme meistens selber. Ersten musste ich dann nicht so leserlich schreiben und zweitens war die Wartezeit auf eine freie Locherin immer recht lange. Auch dieses Programm mit den SPS-Befehlen habe ich selber gelocht; es waren nicht ganz 1000 Karten, die gerade in eine Schuhschachtel passten. Jetzt musste ich nur noch auf irgendeine Art nach Mülhausen zum so wertvollen System gelangen. Mein Mentor hatte eine Vespa und er dachte, das wäre das geeignete und schnellste Verkehrsmittel, um über die Grenze zu unserm Ziel zu gelangen. Die Schuhschachtel mit den Lochkarten auf den Gepäckträger mit einem dicken Gummiband zu befestigen und die Begleitperson auf den Soziussitz zu setzen war eine Kleinigkeit. Und dann fuhren wir los durch die ganze Stadt Basel Richtung St. Louis-Grenze.

Vespa aus den 60iger Jahren

Wer Basel ein wenig kennt, weiss dass sich in vielen Strassen die Tramschienen breit machen. Für Velo- und Rollerfahrer war es – und ist es auch heute noch – eine Kunst, die Schienen optimal zu überqueren oder nebenher zu fahren. Bei uns passierte das Unheil als wir über eine Tramkreuzung fuhren und der Roller sehr stark holperte. Man kann ahnen was nun passierte: die Schachtel mit den Lochkarten rutschte vom Gepäckträger, und wir hielten sofort am Strassenrand an. War das ein spezielles Bild! Die gelben Lochkarten schön verteilt auf der schwarz geteerten Strasse mit den silberglänzenden Tramschienen. Wir mussten die Strasse so schnell wie möglich für den Verkehr wieder frei räumen; deshalb stopften wir die Karten ohne Kontrolle einfach in die Schachtel rein.

Als wir im Computerraum mit der 1401 standen, sagte mein Begleiter, dass ich die Karten zuerst mit dem Sorter einordnen solle, damit das Programm möglichst bald getestet werden könne. Jetzt kam meine Bequemlichkeit ans Tageslicht. Eigentlich waren die letzten Kolonnen einer Programmcode-Karte – egal welche Sprache codiert wurde – immer für die fortlaufende Nummerierung vorgesehen. (siehe Coding-Sheet unten)

Eingabe-Formular mit vorgedruckter Laufnummer (hier für Assembler)

Den Mehraufwand durch das Eintippen der Karten-Nummer wollte ich mir beim Lochen ersparen. Das böse Erwachen kam erst jetzt. Damit die Karten von Hand richtig eingeordnet werden konnten, brauchte man die Coding-Sheets; diese wurden aber leider nicht mitgenommen, Das bedeutete für uns: keine Tests und wieder zurück ins Büro fahren. Das Einordnen der ca. 1000 Karten von Hand war nach einer Stunde noch nicht erledigt. Ich weiss nicht mehr wie lange ich mich abmühte. Bevor ich mit Testen begann, lochte ich in jede Karte die Folge-Nummer. Und seit dieser Zeit gab es bei mir keine Lochkarten für ein Programm ohne die eigentlich so blöde Karten-Nummer.

Ein paar Tage später konnte dann der vorgesehene Programmtest stattfinden. Die zugeteilten Computerzeiten waren sehr knapp und mussten vom Chef geplant werden.

Merke: Mehraufwand kann sich durchaus lohnen!

1 Antwort zu “Bequemlichkeit führt zu Überstunden”

  1. Kann sich jemand vorstellen, wie ein Roller eine Flut von Unbequemlichkeiten verursachen kann?
    Und dies noch in der Informatik!

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